LAURA FROBÖSE (13. Klasse):
Lange standen wir uns gegenüber und schauten uns in die Augen. Ich hätte gerne etwas gesagt, das Gespräch angefangen, dir all die Fragen gestellt, die durch meinen Kopf gingen, und von dir Antworten erlangt. Ich hätte anfangen können mit „Ist der Himmel wirklich blau?“ oder „Tulpen sind die schönsten Blumen!“ oder „Wie geht es dir?“ oder mit einem einfachen „Hallo.“ Ein einfaches „Hallo“ hätte sicher schon gereicht und ein Gespräch gestartet, einen Austausch an Gedanken und Meinungen, vielleicht ja sogar Gefühlen. Jedoch kam aus mir kein Ton heraus. Totale Stille. Im Nachhinein hatte es mich geärgert. Irgendetwas hätte ich sagen oder fragen sollen, und ich habe es nicht hinbekommen. Doch auch du bist stumm geblieben. Totale Stille auch von dir. Es kamen keine Gedanken, Meinungen oder gar Gefühle. Nicht einmal eine Frage oder ein einfaches „Hallo“. Dabei hätte ein Gespräch so vieles verändern können. Immer wieder habe ich mir Gedanken darüber gemacht und jedes Mal stellte ich mir vor, was passiert wäre, wenn es doch ein Gespräch gegeben hätte. Jedes Mal ist ein Anderes mit komplett anderen Gedanken, Meinungen, vielleicht ja sogar Gefühlen entstanden. Einmal zum Beispiel stellte ich mir das Gespräch folgendermaßen vor. Ich: Ich hätte da mal eine Frage. Wenn man sich etwas ganz doll wünscht und dieser Wunsch niemanden schadet, und ich ganz fest daran glaube, ja? Geht er dann in Erfüllung? Du: Das ist schwierig zu sagen…Es würde auf den Wunsch ankommen. Wieso, was wünschst du denn dir, was in Erfüllung gehen soll? Ich: Wünsche darf man doch nicht sagen, sonst gehen sie nicht in Erfüllung! Du: Stimmt, das sagt man so. Aber wenn den Wunsch doch niemand kennt, wer oder was soll dann dafür sorgen, dass er in Erfüllung geht? Ich: Ich weiß auch nicht so richtig. Ich weiß nicht, warum Wünsche ein Geheimnis bleiben sollen. In der Fassung warst du genauso ratlos wie ich und wusstest keine Antwort. Aber das war gar nicht schlimm. Wir wussten beide keine Lösung, haben uns aber noch ganz lange über Wünsche und Geheimnisse unterhalten. Wir haben unsere Gedanken ausgetauscht. Dann habe ich mir auch überlegt, wie das Gespräch gelaufen wäre, wenn du als erstes etwas gesagt hättest. Du: Schönes Wetter heute, nicht wahr? Ich: Ja, sehr schön. Es wurde langsam wieder Zeit für Sonne. Du: Allerdings! Obwohl der Regen die Woche über auch mal ganz gut war. Die Pflanzen und der Boden können es gebrauchen, das sag ich dir. Ich: Die Natur weiß schon, was sie macht und warum. Du: Und trotzdem machen die Menschen sie kaputt. Schade eigentlich, ich bin gerne in der Natur für Spaziergänge oder um Fotos zu machen. Ich: Mit der Natur ist ja nicht nur ein Wald oder ein Park gemeint, sondern die ganze Erde mit allem Drum und Dran. Du: Kann sein, auf jeden Fall ist es ein Problem. Ich: Aber es wäre wichtig sich mit Problemen zu beschäftigen und etwas gegen sie zu tun. Du: Man kann nicht alle Probleme in der Welt lösen. Bei diesem Gespräch haben wir uns noch lange über die Natur und dem Lösen von Problemen unterhalten. Teilweise haben wir richtig diskutiert und versucht, den anderen zu überzeugen. Wir haben unsere Meinungen ausgetauscht. Wiederum ein anderes Mal haben wir beide gleichzeitig angefangen zu sprechen und genau das gleiche gesagt: Ich & Du: Ich glaube, die Welt bricht mir gleich auf dem Kopf zusammen! Du: Entschuldige, was hast du gesagt? Oder was meintest du? Ich: Zurzeit ist einfach alles komisch und schwierig. Die Menschen um mich herum sind komisch und schwierig, die Nachrichten, das Leben… Einfach alles! Verstehst du? Und was meintest du? Du: Ich habe meinen Job verloren, hatte vorher schon kaum genug, um zu überleben, und meine Freunde reden nicht mehr mit mir! Ich verstehe was du meinst, denn zurzeit ist nun mal wirklich alles…naja… komisch und schwierig. Oder auch auslaugend und runterziehend. Ich: Das hört sich echt hart an. Ewig unterhielten wir uns noch über unsere Probleme und kotzten und heulten uns aus. Zwar verstanden wir nicht immer, wovon der andere geredet hat, aber wir versuchten es. Wir haben uns über unsere Gefühle ausgetauscht. Immer neue Ideen hatte ich, wie das Gespräch hätte ablaufen können. Manchmal waren wir uns einig. Manchmal nicht. Manchmal waren wir unhöflich zueinander und haben geflucht. Manchmal nicht. Manchmal gab es Lösungen oder Antworten auf Fragen. Manchmal nicht. Manchmal hat das Gespräch stundenlang gedauert. Manchmal nicht. Manchmal warst du die schlauere Person. Manchmal nicht. Manchmal war ich älter als du. Manchmal nicht. So viel Zeit habe ich damit verbracht, mir immer und immer wieder neue Gespräche auszudenken mit neuen Inhalten. Ein ganzes Jahr ging das so. Die verschiedensten Gedanken, Meinungen und Gefühle habe ich durchlebt und mir dabei immer beide Seiten vorgestellt. Erst heute ist mir klar geworden, was einer von uns beiden hätte sagen sollen damals: „Ich möchte mit dir sprechen.“