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JULIA SOKOLOV (5. Klasse):


Tauschgesicht


Ich wachte von einem lauten Geräusch in der Küche auf und stieg aus dem Bett. Wie jeden Morgen sah ich wieder alles schwarz-weiß. Ich guckte in meinen Ganzkörperspiegel. Na toll! Schon wieder ein Pickel! Und was ist mit meinem Bauch los? Ich bin wieder fett geworden! Ich setzte mich aufs Bett und guckte auf mein Handy. Das erste was ich sah, war ein glückliches Teenager-Mädchen mit einem perfekten Körper, dünner Taille, vollen Lippen, welligen Haaren, einem Gesicht ohne Pickel und langen Wimpern. Meine Augen füllten sich mit Tränen, und ich fing an zu weinen. Ich sah zu meiner Wand neben meinem Bett. Dort hingen meine fünf Tauschgesichter. Es waren ein lächelndes, ein lachendes, ein fröhliches, ein leicht lächelndes und ein mega frohes Gesicht. Ich wischte mir die Tränen vom Gesicht und stieg aufs Bett. Ich nahm mir das lächelnde Gesicht und zog es an. Auch wenn es mir nicht besser ging, das wichtigste war, meine Eltern dachten, alles wäre okay. Danach zog ich mich an. Daraufhin ging ich nach unten in die Küche, um mir ein Brot zu machen. ,,Na Emma, wie geht es dir?“ fragte meine Mutter lächelnd. Sie hatte kein Tauschgesicht, sie hatte auch nie eins an. Sie war der glücklichste Mensch der Welt. Das einzige Tauschgesicht, das sie besitzt, ist ein ernstes, weil sie bei der Arbeit immer einen Lachanfall bekommt. ,,Gut.“ sagte ich, und holte mir aus dem Kühlschrank alles, was ich brauchte, um mir ein Brot zu machen. Danach ging ich zur Schule. Auf dem Weg dorthin sah ich ein kleines Mädchen spazieren gehen. Es strahlte wie ein Regenbogen und sah die Welt nur bunt. Alles um sie war bunt! Das war aber das einzige bunte, was ich in meiner schwarz-weißen Welt gerade wahrnahm. Sie hatte kein Tauschgesicht, naja wieso denn auch? Sie war erst sechs oder so. Ich habe mein Tauschgesicht das erste Mal mit 13 angezogen. Nun bin ich schon fast 15. Als das kleine Mädchen mir immer näherkam, machte ich einen Bogen um es. Es guckte mich traurig an, weil sie wahrscheinlich ahnte, dass ich ein Tauschgesicht anhatte, doch ich tat einfach so, als hätte ich es nicht gesehen. Kurze Zeit später stand ich vor der Schule. „Kinderknast“ flüsterte ich leise. Ich ging durch das große Eingangstor in die Schule rein. Es hingen überall bunte Bilder, doch welche Farbe sie hatten, konnte ich nicht sehen. Ich ging in mein Klassenzimmer und setzte mich neben meine Freundin Sia. Frau Grün, unsere Klassenlehrerin, stand vor der Tafel und schrieb irgendeine Matheformel. Sie hatte kein Tauschgesicht an, doch sie sah auch nicht gerade glücklich aus. Sie hasste halt eben Kinder. Ich guckte Sia an und sah, dass ihr Tauschgesicht schon halb ab war. „Sia!“ flüsterte ich leise. Sie bemerkte es und rückte ihr Tauschgesicht schnell wieder gerade. „Besser?“ fragte sie. Ich nickte. Sonst war der Rest des Schultages wie immer: langweilig und Zeitverschwendung. Zu Hause ist dann eigentlich auch nichts Spannendes passiert. Wir haben Nudelsuppe gegessen, und Papa guckte danach noch Fußball. Später ging ich früh schlafen, weil ich morgen früh in der Schule sein wollte. Wie jeden Morgen machte ich mir ein Brot, zog mein Tauschgesicht an und ging in die Schule. Es war keiner da, weil es erst halb sieben war. Es war aber wirklich sehr still. Zu still. „Hallo?“ schrie ich. Es kam nur als Echo wieder zurück. Nun fand ich es ein bisschen unheimlich, weswegen ich etwas schneller zu meinem Klassenzimmer ging. Ich machte die Tür auf und ging ins Klassenzimmer. Ich machte die Tür wieder zu und hatte es gleich wieder bereut. Es war nicht Freitag, es war Samstag! Und wenn man die Tür an einem Ferientag oder am Wochenende von innen zumachte, kam man nicht wieder raus. Ich setzte mich unter die Tafel auf den Boden und stellte meine Tasche ab. Plötzlich hörte ich ein Rascheln. Es kam aus einem großen Pappkarton, der auf der Fensterbank stand. Er rüttelte, und schüttelte, bis er umfiel. Ich nahm mir schnell meine Metallbrotdose, um mich im Notfall zu verteidigen. Schweißtropfen bildeten sich auf meiner Stirn, und ich atmete schneller. Auf einmal ganz langsam, kletterte es aus dem Pankratow. „Miau“ es war eine kleine, süße, braune Babykatze. Vorsichtig streckte ich meine Hand nach der Katze aus, um sie zu streicheln. Sie schnüffelte daran, doch dann ließ sie mich sie streicheln. Ich zog mein Tauschgesicht aus und gab ihr etwas von meiner Wurst aus der Brotdose ab. Sie verschlingte sie schnell und legte sich auf meine Knie, um zu schlafen. In der Zeit las ich ein Buch und streichelte die Katze immer wieder. Einige Zeit später öffnete sich die Tür. Es war Sia mit meinen Eltern. Ich umarmte sie und erzählte ihnen alles. Dass ich vergessen hätte, dass heute Samstag ist, und dass ich diese Katze gefunden hätte, die ich super gerne behalten würde. Meine Eltern erlaubten es mir und auf einmal bemerkte ich etwas: Ich konnte wieder Farben sehen! Blau, grün, gelb, rot - schon seit Langem hatte ich keine mehr gesehen! Ich ging mit meinen Eltern, Sia und der Katze zu mir nach Hause. Wir backten zusammen Schokokekse, und seit Langem konnten Sia und ich wieder lachen, ganz normal, ohne Tauschgesichter. Als wir die Kekse backten, kam ich auf die Idee, die Katze Cookie zu nennen, was ich auch tat. Nach diesem Abend warfen ich und Sia diese blöden Tauschgesichter weg und benutzten nie wieder eins. Der Tag hat alles verändert: Ich habe aufgehört, mich mit anderen zu vergleichen, und mehr Zeit mit meinen Freunden verbracht. Ich hoffe, euch geht’s gut! Ciao Kakao Eure Emma ;)